Buddha, der Erwachte

Der Buddhismus geht auf Siddhartha Gautama zurück, einem Lehrer, der im 6. vorchristlichen Jahrhundert in Nordindien wirkte. Ursprünglich aus königlichem Geschlecht, verließ Siddhartha im Alter von 29 Jahren seine edle Herkunft mit all ihren Privilegen, auf der spirituellen Suche nach Befreiung von Leiden. Er studierte und übte sich bei verschiedenen Meistern seiner Zeit, um schließlich zu erkennen, dass weder ein königliches Leben im Überfluss, noch die strenge Askese die er nun praktizierte, zum Ziel führten.  Die Kunst der meditativen Vertiefung, die er im Laufe seiner Lehrzeit entwickelte, benutzte er nun, um tiefe Einsicht in das wahre Wesen der menschlichen Erfahrung zu gewinnen. Im Alter von 35 Jahren erlangte er so schließlich die Erleuchtung und wurde fortan Buddha genannt, „der Erwachte“.

Seine Lehre: die Vier Edlen Wahrheiten

In seiner ersten Lehrrede über die sogenannten „Vier Edlen Wahrheiten“, legte Buddha die Grundlagen für alle Traditionen, die wir heute unter dem Begriff „Buddhismus“ zusammenfassen. Sie folgen dem Prinzip einer ärztlichen Diagnose, bei der man zunächst die Krankheit genau diagnostiziert, danach deren Ursache identifiziert, die Möglichkeit zur Heilung ermisst, und schließlich die Behandlung einleitet.

 

Die vier edlen Wahrheiten sind: die Wahrheit des Leidens, die Wahrheit der Ursache des Leidens, die Wahrheit der Beendigung des Leidens, und die Wahrheit des Weges der zur Beendigung des Leidens führt. Diese vier Gegebenheiten werden „Wahrheiten“ genannt, weil es sich um Tatsachen handelt, die unabhängig von Glaubensvorstellungen sind; und sie sind „edel“ weil man sich durch eine tiefe Einsicht in diese vier Wahrheiten den Weg zur Befreiung bahnt.

 

Sie bilden die Grundlage für alle Lehren und Praktiken des Buddhismus, sei es gemäß des Theravada, des Zen, der Tradition des Reinen Landes oder der tibetischen Schulen.

1. Die Wahrheit des Leidens (duhkha):

Der Sanskrit Ausdruck „duhkha“, den wir hier mit Leiden übersetzen, umfasst ein weiteres Bedeutungsfeld als das deutsche Wort „Leiden“. Er schließt sowohl offensichtlichen Schmerz, als auch Stress, Unzufriedenheit und letztlich die Unmöglichkeit vollkommene Erfüllung und anhaltendes Glück zu finden mit ein. Der Ausgangspunkt der Lehre des Buddha ist somit eine äußerst realistische Bestandaufnahme unserer Existenz, denn die Wirklichkeit von duhkha in unserem Erleben ist unumstritten.

 

Es scheint uns hier wichtig zu betonen, dass Buddha weder weltfremd noch von pessimistischer Natur war. Die Lehrreden zeigen viele Stellen auf, in denen der Buddha seiner Freude Ausdruck verleiht, oder seinen Schülern ausgezeichneten Rat zu weltlichen Belangen gibt. Man könnte sagen, Buddha war ein knallharter Realist. Er nahm sich kein Blatt vor den Mund und sprach die Probleme sehr unverblümt an, aber nur um im nächsten Atemzug eine Lösung aufzuzeigen. Und welch größeren Optimismus gibt es, als zu sagen: es ist möglich dem Leiden ein Ende zu setzen?

2. Die Wahrheit der Ursache des Leidens:

Buddha erkannte, dass Leiden eine zweifache Wurzel hat: zum einen sind dies die Taten (karma), die in einem Nichtverstehen der Wirklichkeit, und insbesondere des Gesetzes von Ursache und Wirkung wurzeln, und zum anderen die Geistestrübungen (klesha), die solche Handlungen provozieren.

 

Karma: Jeder der sich einmal mit dem Buddhismus befasst hat, wird auch von Karma schon gehört haben. Das Wort bedeutet „Handlung“ und schließt sinngemäß den Zusammenhang von Ursache und Wirkung einer körperlichen, verbalen oder geistigen Handlung mit ein. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass der Absicht, die hinter einer Handlung steht, besondere Bedeutung zugemessen wird. Die Qualität der Absicht die hinter einer Tat steht, bedingt nämlich die Qualität ihrer Auswirkung auf die handelnde Person selbst. Mit anderen Worten: alles was wir tun, sei es Gebete rezitieren, Autofahren oder Abwaschen, hat eine Auswirkung auf unser eigenes Erleben, und diese Auswirkung  ist zu einem großen Grade abhängig von der Qualität der Absicht und Achtsamkeit, mit der wir die Handlung ausführen.

 

Nur weil wir die Ursachen von Glück und Leiden nicht klar von einander unterscheiden, bringen wir uns selbst nur allzu oft in Schwierigkeiten. Wenn wir aber verstehen, wie unser Geist tatsächlich funktioniert, wie die Konditionierungen in uns wirken und unser eigenes Glück und Unglück verursachen, dann ermächtigen wir uns selbst dazu, einen klaren Weg aus dem Nebel der Verwirrung und der Unzufriedenheit zu gehen.

 

Geistestrübungen: Geistestrübungen sind alle die Kräfte, die in uns aktiv sind und die, wie der Name schon sagt, die Klarheit unseres Geistes trüben, bzw. das Erleben seines natürlichen Friedens stören. Als die drei wichtigsten werden Begierde, Hass und Unwissenheit genannt. Sie verzerren unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und hindern uns so daran, angemessen auf unser Erleben zu reagieren. So setzen wir unheilsame Handlungen, die unser Erleben von Unruhe, Stress und Leiden verursachen.

 

So zeigt sich, dass Buddha nie die Objekte unseres Erlebens als absolut gut oder schlecht bezeichnet hat. Es geht ihm vielmehr um die Art und Weise, wie wir uns auf unser Erleben beziehen. Ein unweises, oder ungeschicktes In-Beziehung-Treten mit dem, was wir erfahren wird Spannung, Stress und letztlich Leiden erzeugen, bei uns und bei anderen. Ein weises, oder geschicktes In-Beziehung-Treten mit den Objekten unserer Wahrnehmung wird demensprechende Entspannung und Glück erzeugen.

3. Die Wahrheit der Beendigung des Leidens:

Die dritte edle Wahrheit ist im Grunde die Feststellung, dass es möglich ist das Leiden tatsächlich zu beenden, indem wir nämlich dessen Ursachen beseitigen. Im Buddhismus wird großer Wert darauf gelegt, dass wir die Phänomene unseres Erlebens in ihrem kausalen Zusammenhang verstehen. Das Gesetz von Ursache und Wirkung ist ein natürliches Gesetz, dessen Wirklichkeit für das Wachsen eines Baumes genauso verantwortlich ist, wie für unsere Erfahrungen von Glück und Leid. Die definitive Beendigung des Leidens wird Nirvana genannt, ein Zustand frei von Geistestrübungen, in dem keine Handlungen mehr gesetzt werden, die in Zukunft Leiden erzeugen könnten.

4. Die Wahrheit des Weges der zum Aufhören des Leidens führt:

Um das Ziel der Beendigung des Leidens zu erreichen, muss die Realität der Dinge erkannt werden wie sie wirklich ist, und dafür ist es notwendig den Geist vom Schleier der Trübungen zu befreien. Zu diesem Zweck zeigte Buddha eine Vielzahl von Methoden auf, welche im Laufe der Zeit zur Entstehung unterschiedlicher Traditionen des Buddhismus führte. Sie alle betonen grundsätzlich die dreifache Schulung in ethischer Disziplin (shila), meditativer Konzentration (samadhi) und Einsicht (prajna).

 

Die Essenz des Weges besteht darin zu lernen, geschickt und weise mit unserem Erleben umzugehen. Dazu ist es notwendig, den eigenen Geist gut kennenzulernen, sich mit seinen Mustern auseinanderzusetzen und mit den verschiedenen zur Verfügung stehenden Mitteln daran zu arbeiten, den Geist von seinen Trübungen zu befreien. Insofern macht man grundsätzlich auch keinen Unterschied zwischen Meditation und Alltag, denn beide sind Teil unserer Erlebniswelt und sollten als Übungsfeld verwendet werden.